Revolution im Krankenhaus – Additive Fertigung in der Medizintechnik

Der technologische Fortschritt macht vor kaum einer Branche halt und schafft es dabei in der Regel, sowohl die Qualität als auch die Produktivität auf eine neue Stufe zu heben. Zu diesen Technologien, die in immer mehr Anwendungsgebieten Einzug halten, zählen insbesondere additive Fertigungsverfahren. Während derartige Verfahren, die gemeinhin auch als 3D-Druckverfahren bezeichnet werden, in der fertigenden Industrie bereits seit längerem zum Einsatz kommen, bergen sie insbesondere in der Medizintechnik großes Potenzial, zumal die Individualität des menschlichen Körpers ein Höchstmaß an Fertigungspräzision erfordert. Auch wenn die finalen Möglichkeiten der additiven Fertigung noch in den Sternen stehen, so kommt sie in der Medizintechnik bereits in zahlreichen Anwendungsbereichen erfolgreich zum Einsatz.

Wie funktioniert die additive Fertigung?

Wenngleich die additive Fertigung, also die schichtweise Erstellung von Werkstücken bereits seit Jahrhunderten zum Beispiel im Rahmen der Keramikverarbeitung zum Einsatz kommt, so ist es doch erst die Digitalisierung dieser Prozesse, die das Wesen der additiven Fertigung insbesondere in der Medizintechnik ausmacht. Grundlegend ist dabei, dass alle zur Anwendung kommenden Fertigungsverfahren auf der Verwendung von dreidimensionalen CAD-Modellen basieren, die zuvor in der entsprechenden Modellierungssoftware manuell erstellt oder auf Basis vorliegender Patientendaten aus bildgebenden Verfahren gewonnen werden.

Aus den CAD-Daten werden durch die Fertigungsanlagen im Zuge des sogenannten Slicens schließlich sowohl die notwendigen Geometrie- und Positionsdaten, Informationen über die Schichtdicke als auch im Bedarfsfall notwendige Stützstrukturen errechnet. Stehen die Daten bereit, erfolgt die Produktion des hinterlegten Objektes vollautomatisch und im freien Raum, wobei computergesteuerte Laser respektive Extruderdüsen für hochpräzise Ergebnisse sorgen, die in händischer Arbeit nur schwer zu erreichen und in großer Stückzahl reproduzierbar sind.

Welche Verfahren kommen in der Medizintechnik zum Einsatz?

3d printed rib cage. 3d printed implants on white background. 3d illustration.Da in der Medizintechnik die Entwicklung und Erstellung hochkomplexer und belastbarer Bauteile und Prototypen im Vordergrund steht, schränkt sich die Auswahl der zur Anwendung kommenden additiven Fertigungsverfahren im Vergleich zu anderweitigen Anwendungsbereichen etwas ein. Im Fokus stehen dabei in erster Linie laserbasierte Verfahren wie die Stereolithographie (SLA), das Selektive Lasersintern (SLS) sowie das Selektive Laserschmelzen (SLM). Diese drei Fertigungsverfahren unterscheiden sich dabei einerseits anhand der zur Anwendung kommenden Materialien und andererseits durch den Einsatz des Lasertyps.

Während das zu fertigende Objekt im Fall der Stereolithographie in einem Bad aus photosensitivem Flüssigkunststoff entsteht und dort Schicht für Schicht durch den Hochleistungslaser durch Belichtung ausgehärtet wird, kennzeichnen sich das Selektive Lasersintern sowie das Selektive Laserschmelzen durch das schichtweise Aufschmelzen eines pulverförmigen Ausgangsstoffs. Auf http://www.vioproto.de/additive-fertigung-manufacturing werden die genannten Verfahren anhand ihrer Charakteristika im Detail erläutert.

Welche Werkstoffe können mit additiven Fertigungsverfahren verwendet werden?

Neben Kunststoffen, wie sie vor allem im Rahmen der Stereolithographie zum Einsatz kommen, ist die additive Fertigung in der Medizintechnik vor allem durch metallische Werkstoffe geprägt, die insbesondere im Fall des Einsatzes im Organismus auch großen und dauerhaften mechanischen Belastungen standhalten. Zu nennen sind an dieser Stelle sowohl biokompatibles Titan als auch diverse Magnesium-Legierungen. Beide Werkstoffe werden dabei vorrangig beim SLS- und SLM-Verfahren eingesetzt. Die Material- und Verfahrensentwicklung ist allerdings noch nicht an ihrem Ende angelangt, denn sowohl die Entwicklung keramischer Werkstoffe als auch die Entwicklung von Techniken wie dem Elektronenstrahlsintern, das auch die Verarbeitung hochfester Stähle ermöglicht, sind für die Medizintechnik vielversprechend.

Warum revolutioniert die additive Fertigung die Medizintechnik?

Die Vorteile, die die additive Fertigung für die Medizintechnik und insbesondere die Fertigung von Prototypen bereithält, sind offensichtlich, denn die computergestützte Fertigung verläuft nicht nur hochpräzise, sondern auch deutlich schneller als etwa die händische Fertigung. Damit ist die Produktion via additiver Fertigung in der Endabrechnung signifikant günstiger und ermöglicht damit auf lange Sicht eine bessere und flächendeckender medizinische Versorgung unter anderem mit medizinischen Implantaten und Prothesen.

Abgesehen davon können durch den generativen schichtweisen Aufbau auch komplexe Hohlkammerkonstruktionen umgesetzt werden, die mit konventionellen Verfahren nur schwer oder gar nicht umsetzbar sind. Nicht zuletzt die Individualität des menschlichen Organismus, die die größte Herausforderung für die Medizintechnik darstellt, ist der größte Vorteil additiver Fertigungsverfahren, da Prototypen automatisiert auf Grundlage von MRT-Bildern oder CT-Scans angefertigt werden können.

Wie wird die additive Fertigung derzeit eingesetzt?

In der Medizintechnik gibt es zwei große Anwendungsbereiche für die additiven Fertigungsverfahren. Auf der einen Seite steht dabei die Fertigung von medizinischen Werkzeugen, bei denen durch die wabenförmige Hohlkammerfertigung insbesondere Gewicht und damit auch Material eingespart werden kann, wobei gleichzeitig vollständig geschlossene Objekte produziert werden, die keine Angriffspunkte für Erreger bieten.

Derartige Werkzeuge werden derzeit beispielsweise für Operationen hergestellt und in zusätzlichen Hohlkammern mit integrierten RFID-Chips ausgestattet, auf denen unter anderem gespeichert wird, welcher Mitarbeiter das vorliegende Instrument zuletzt desinfiziert hat. Auch passgenaue Bohrschablonen oder Operationsmodelle, welche die präoperative Ausgangssituation zeigen, sind schon im klinischen Einsatz und ermöglichen eine effiziente Planung und Durchführung von Operationen.

Additive Fertigung ermöglicht passgenaue Implantate

Der zweite große Bereich des Anwendungsspektrums betrifft die Anfertigung individueller Implantate, die bis ins Detail an die anatomischen Gegebenheiten eines Patienten angepasst sind. Erfolgreich verwendet werden additive Verfahren derzeit beispielsweise bei der Anfertigung von passgenauen Gelenkköpfen und Pfannen aus Titan, die exakt an den Organismus des Patienten angepasst sind. Weiterhin sind auch Teilimplantate von Knochen bereits Realität, die den ursprünglichen Knochen nicht nur passgenau ersetzen, sondern auch für eine Reduktion der Operationszeit sowie der potenziellen Komplikationen sorgen, da im Zuge einer solchen OP beispielsweise kein weiteres OP-Feld für die Entnahme eines autologen Knochentransplantats benötigt wird. Weitere Einsatzgebiete für additive Fertigungsverfahren:

– Herstellung von Zahnimplantaten
– Generative Fertigung passgenauer Hörgeräte und Hörschneckenimplantate
– Fertigung individueller Prothesen
– Kosteneffiziente Produktion komplexer chirurgischer Instrumente in wenigen Schritten

Was bringt die Zukunft?

Besonders interessant ist der Stand der Forschung im Hinblick auf die Entwicklung von komplexen Implantaten, die unter anderem vollständig bioresorbierbar sind. Am Laserzentrum Hannover forscht man indes beispielsweise an Hybridimplantaten für die Rekonstruktion von Gesichtsschädeldefekten, die auf einer individuell angepassten Gitternetzstruktur aus Magnesium und Titan basieren und insbesondere die Revitalisierung mit Gewebezellen fördern und erleichtern sollen.

Auch wird unter Zuhilfenahme von Verfahrenstechniken wie dem Lasermikroschmelzen an Mikroimplantaten gearbeitet, die unter anderem in Implantate integriert werden können und dazu dienen, Medikamente im Zielgewebe abzugeben. Insbesondere die Kombination mit bioaktiven Bestandteilen sowie die Produktion individueller Mikroimplantate, die zum Beispiel im Inneren von Gefäßen eingesetzt werden können, bergen zukünftig weiterhin deutliches Entwicklungspotenzial. Daran zeigt sich, dass der Einsatz additiver Verfahren in der Medizintechnik erst am Anfang steht.

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Autor

  • (Gast) Lars Heinrich

    Der Artikel wurde erstellt von Herrn Lars Heinrich von der Firma VIOPROTO. Er ist seit mehreren Jahren im Bereich der additiven Fertigung tätig. Die Firma ist spezialisiert auf die Beratung in der Prototypen-/ und Kleinserienfertigung mittels additven und klassischen Fertigungsverfahren. Sollten Sie Interesse an einem unverbindlichen Angebot haben kontaktieren Sie gerne info@vioproto.de

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